Zur Gewaltprävention an Schulen wird immer häufiger das Programm PFADE eingesetzt. Da es offensichtlich auch andere Ziele verfolgt, drucken wir den folgenden Leserbrief ab.
In verschiedenen Schulen wird das amerikanische Sozialkompetenzförderungsprogramm PFADE eingeführt. Es soll die Sozialkompetenz, das Selbstwertgefühl und die Schulleistungen der Kinder verbessern. Doch bereits mehren sich negative Rückmeldungen aus PFADE-Schulen in Zürich. Eltern berichten, dass ihre Kinder in der wöchentlichen PFADE-Lektion «etwas über Gefühle» lernen sollen. Ein Erstklässler bekam plötzlich den Schulverleider, weil er in der PFADE-Stunde dauernd über seine Gefühle reden musste. In einer Klasse mussten die Kinder ihre Gefühle dauernd offenlegen, indem sie ständig ein Gefühlskärtchen mit einem glücklichen, traurigen, wütenden oder anderen «Gefühlsgesicht» vor sich hinstellten. Als Hausaufgaben mussten sie ihre Eltern fragen, wie diese mit ihren Gefühlen umgehen. Auch mussten sie der Lehrerin Auskunft geben, welche Strafen sie zuhause für welche Vergehen erhalten. In einem Kindergarten hing lange ein PFADE-Plakat, auf dem mit Sternchen vermerkt war, wie beliebt jedes Kind war. Beliebte Kinder hatten viele, unbeliebte wenige Sterne. Solche Praktiken grenzen Kinder aus und stellen sie bloss, statt sie zusammenzuführen und zu befreunden. Eltern stellten nach PFADE-Lektionen negative Veränderungen an ihren Kindern fest. So altklug und gekünstelt seien sie geworden. So belehrte ein 5-Jähriger seine Mutter: «Ich habe jetzt eine Wut, und das ist wie ein Luftballon in meinem Bauch, der bald platzt.» Da werden Gefühle aufgebauscht oder den Kindern eingeschwatzt, die sie gar nicht haben. Ein weiteres PFADE-Konzept ist das «Kind der Woche». Dabei musste ein Mädchen sich von allen Mitschülern mit einer Feder übers Gesicht streicheln lassen. So lernen Kinder, körperliche Übergriffe zu erdulden und erst noch «schön» finden zu müssen. PFADE kann auch Krisen auslösen. So zeigte eine Lehrerin den Schülern in der PFADE-Lektion ein angsteinflössendes Bild und forderte sie auf, über ihre Gefühle zu sprechen. Dabei geriet ein Mädchen, das gerade etwas Schlimmes erlebt hatte, derart aus der Fassung, dass die Mutter Stunden brauchte, um es zu beruhigen. Dies alles sind riskante und umstrittene Psychotechniken, die in der Schule nichts zu suchen haben. Damit verletzt die Schule Grundrechte unserer Verfassung wie Art.13: Schutz der Privatsphäre und Familie, Art.10: Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und Art.7: Recht auf Würde. Auch die Lehrer werden zu PFADE mehr oder weniger genötigt. Es ist an der Zeit, das Importprodukt aus Übersee zurückzuweisen. PFADE atmet den Geist missglückter Schulreformen, die unter den Begriffen «Kuschelpädagogik», «Vertherapeutisierung der Schule» oder «selbstentdeckendes Lernen» in Verruf geraten sind. Wir sollten das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen und hinter das längst bekannte und uns zur Verfügung stehende reichhaltige pädagogische und psychologische Wissen zurückgehen. Dieses lehrt uns, wie man Kinder zu verantwortungsvollen, tüchtigen und gemeinschaftsfähigen Menschen und Staatsbürgern erzieht.
Judith Barben, Dr. phil. Kinderpsychologin und Lehrerin, Andelfingen
Verein Jugendberatung 8000 Zürich
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